POV PORTFOLIO STARTUP IV - Unser Portfolio Startup Aivy im Interview

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“Ein Startup zu gründen heißt, immer wieder aufzustehen” – Unser Portfolio Startup Aivy im Interview

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Alexandra Kammer blinzelt lächelnd in die Kamera. Sie sitzt für unseren Call in der Sonne. Gemeinsam mit Florian Dyballa, Abnor Raci, David Biller und Jasmine Aslan gründete sie 2020 das revolutionäre Unternehmen ‚Aivy‘. Wir unterhalten uns darüber was seitdem alles passiert ist, welche Tipps sie für andere Gründer*innen hat und wie Business Angels Chancengleichheit fördern können. Dabei wird schnell klar, Alexandra brennt leidenschaftlich für ihre Vision und überzeugt mit ihrer sympathischen Art und ihrem uneingeschränkten Glauben an ‚Aivy‘. Und nicht nur uns hat sie überzeugt, sondern auch die beiden Business Angels Matthias Helfrich und Bert Heinrich. Sie haben uns erzählt, wie es zu dem Investment kam.

Kannst du mir in einem Satz sagen, wofür Aivy steht?

Wir machen individuelle Stärken sichtbar – für eine gerechtere Arbeitswelt. 

Wie funktioniert das?

Wir haben game based assessments entwickelt, die auf psychologischer Eignungsdiagnostik basieren. So können wir viel mehr valide Daten erheben, als es bis jetzt möglich ist und vor allem können wir sichtbar machen, was wirklich wichtig ist. Also, was eine höhere Vorhersagekraft für den Arbeitserfolg hat, zum Beispiel Persönlichkeit, kognitive Fähigkeiten, emotionale Intelligenz oder auch der culture fit.

Euer Weg zur Finanzierung war nicht immer direkt. Ihr wart bei der Höhle der Löwen und auch wenn der Deal am Ende nicht zu Stande kam, so hattet ihr doch Erfolge nach der Ausstrahlung zu vermelden. Ihr wart auf Platz 1 im App Store und mehr als 350 Unternehmen haben sich den exklusiven Zugang zu Aivys Dashboard gesichert. Wie beurteilt ihr heute eure Teilnahme?

Ich glaube, das ist ja sowas, das kann man überhaupt nicht planen und da sind so viele unbekannte Faktoren, die man nicht kontrollieren kann. Dementsprechend  würde ich es  rückblickend  genauso wieder machen. Für uns war das sehr erfolgreich, unabhängig von Investitionen. Wir haben ja auch im letzten Jahr eine Investitionsrunde über die doppelte Höhe  geschlossen.

Glückwunsch! Und auch die Zusammenarbeit mit dem BACB hat gezeigt: es lohnt sich dranzubleiben. Nach eurem ersten Pitch bei uns habt ihr zunächst kein Ticket erhalten. Was hat euch geholfen, wenn es mal so gar nicht lief?

Also ich glaube, Startup Gründung ist ein einziges immer wieder aufstehen. Wenn du diese Momente nicht abschütteln kannst, dann kriegst du das Unternehmen auch nicht hoch. Das passiert ja dauernd und davon darf man sich einfach nicht beeindrucken lassen. Es ist wichtig, so etwas nie als Versagen anzusehen, sondern dieses Growth Mindset zu behalten. Es ist eine Möglichkeit daraus zu lernen und sich weiterzuentwickeln, ja, andere Wege zu gehen. Vielleicht muss man etwas anpassen, an der Storyline oder am Produkt und das dann einfach austesten und schauen, ob das funktioniert und wenn nicht, dann wieder neu austesten und neu ausprobieren. Bis es klappt.

Wie seid ihr damals auf den BACB gekommen und warum habt ihr euch dafür entschieden, euch bei dem BACB zu bewerben? 

Wir sind damals durch Florian zum BACB gekommen. Wir haben ja in Berlin gegründet und für mich war es durch das Netzwerk in der Szene irgendwie immer so, als würde man sich kennen. Wir begrüßen es sehr, wenn wir Business Angels haben, die sich auch außerhalb des Monetären mit einbringen. Wir konnten Matthias Helfrich als Angel gewinnen. Der Business Angel des Jahres! Er hat uns sein Netzwerk vorgestellt und empfiehlt uns auch immer ganz fleißig weiter. Das ist einfach richtig schön! Manche Business Angels unterstützen uns auch ideell oder wir können uns an sie wenden, wenn wir irgendwie ihre Expertise brauchen. Das ist vor allem im frühen Stadium auch wahnsinnig wertvoll neben dem Geld.

Wie habt ihr unsere Angels am Ende doch noch überzeugt?

Es ist wichtig, dass man sich seines Wertes bewusst ist. Auch unabhängig vom Geld. Man sollte ganz klar zeigen können, dass das auch ein no brainer ist, warum man das Produkt braucht und wie es funktioniert. Wir sitzen ja die ganze Zeit im Wald und die anderen gucken rein. Natürlich hat auch unser Produkt überzeugt. Wir kamen zu einem ganz guten Timing mit einer Lösung für ein Problem, das für alle sehr klar war. Wir hatten ja diese ganzen Kündigungswellen im letzten Jahr und auch viele Startups sind pleite gegangen. Wir kommen also in eine Branche rein, die gerade wächst – die wichtiger wird – und wo auch klar ist, dass man da nicht mehr so mit den Leuten umgehen und sie einfach so hire-fire-mäßig rumschieben kann. Ich glaube, das hat auf jeden Fall überzeugt.

Ob es wirklich das war? Bert Heinrich und Matthias Helfrich plaudern aus dem Nähkästchen:

Bert:  Ich habe investiert, weil ich sehr überzeugt bin von Florian. Meine Idee ist es immer, in Menschen mit einer guten Idee zu investieren. Zum anderen interessiert mich das, was sie auch wirklich tun. Ich habe eine gewisse Affirmation zu allen Prozessen rund um das Thema, Personalentwicklung, Planung… die Assets der Dienstleister der Zukunft sozusagen. Da finde ich den Ansatz, den sie gewählt haben, sehr gut, das gefällt mir. Naja und nebenbei investiert man, zumindest ich, nicht aus Lust und Tollerei und bei Aivy gibt es ein solides Geschäft und damit ein solides Investment und vielleicht wird auch ein solider ROI rauskommen. Ich habe immer Schwierigkeiten, wenn Startups – um in meinen Worten zu sprechen-  ihre Bodenhaftung verlieren. Und da sind mir Menschen lieber, die auch langfristig ein betriebswirtschaftlich erfolgreiches Investment hinkriegen wollen.  Und das kam bei Aivy ja zusammen. 

Matthias: Ich kann da gerne ansetzen. Ich habe bei der Transaktion Florian und Alexandra kennengelernt und erst später die beiden anderen Tech Gründer. Aber was mir gut gefällt ist, dass Florian und Alex aus nicht Akademiker Haushalten kommen und sich somit in ihrer Jugend  gegenüber anderen gleichaltrigen Jugendlichen durchsetzen mussten. Das Gleiche galt auch im Studium. Das heißt, ich meine dort eine sehr starke Erfolgsorientierung zu erkennen und zu sehen. Das war der eine Grund. Und der zweite Grund ist auch, sehr ähnlich wie bei Bert, das Geschäftsmodell, das wiederum in meinem Portfolio eine große Klammer bildet. Weil Aivy letztlich sowohl in der Industrie als auch bei Startups durch ihre Technologie im Zusammenhang mit Matching von Arbeitsplätzen und Arbeitssuchenden breitflächig zum Einsatz kommen kann. Ich suche für mein Portfolio immer nach Themen, bei denen sich die Startups untereinander befruchten und zusammenarbeiten können.  Und dadurch passt Aivy sehr gut in mein Portfolio.

Der Mehrwert von Aivy liegt ganz klar darin, dass Chancengleichheit und Diversity auf dem Arbeitsmarkt gefördert werden. Glaubt ihr, der BACB ist, was das angeht, auf einem guten Weg?

Matthias: Also der BACB macht ja einiges, wenn ich nur mal an das Female Investing oder Female Founder Aktivitäten denke, die ihr habt. Ich erinnere mich jetzt an die Reise von Sebastian Schwenke in die Ukraine, um ukrainische Startups zu unterstützen. Also ich glaube, da gibt es schon einige gute Beispiele. Inwieweit es jetzt schon auf der Mitgliederseite alles auch mitgetragen wird, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich sage mal, aus Sicht der Geschäftsleitung des Vereins gibt es da gute Beispiele und da würde ich euch auch ermuntern, da weiter voranzuschreiten und sozusagen das Thema Diversity oder ja auch Minderheiten proaktiv voranzustellen. Natürlich, immer im Kontext der unternehmerischen Komponente. 

Bert: Da kann ich eigentlich nichts weiter ergänzen. Für mich war das eigentlich immer selbstverständlich. Ich habe zwei erwachsene Töchter und auch da merke ich, dass wir noch nie einen Unterschied gemacht haben, auch in meinen Firmen. Deswegen finde ich es gut, dass das vorangetrieben wird. Manchmal wird es mir zu stark fokussiert, weil ich ja gar nicht anders unterwegs bin und auch gar keine andere Meinung  dazu habe. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, eigentlich sogar noch ein Mehrwert. 

Folgt man Alexandra auf LinkedIn, merkt man direkt, wie viel Know-How sie zu dem Thema hat und dass es auch über Aivy hinaus ein Herzensthema ist. Deshalb interessiert uns natürlich: Welche Tipps hast du an Angels, um mehr Chancengleichheit bei Startups zu fördern?

Bitte keine Tipps, wie “Sprecht lauter” oder so etwas. Das ist nicht der Sinn. Es ist ja eine Sache im System. Ich glaube, der erste Schritt ist, sich bewusst zu sein, warum man manche Menschen anders bewertet als andere. Also, was die gelernten Stereotypen sind, die wir haben und warum wir diese haben. Und dann muss man wissen, dass es auch ein echter Business Case ist, in solche Startups zu investieren. Viele dieser Startups gründen Dinge, die eine Zielgruppe treffen, für die es noch nicht so viele Produkte gibt, die aber natürlich trotzdem auch eine Kaufkraft haben. Nur weil ich die Notwendigkeit  nicht sehe, weil ich es persönlich nicht brauche, heißt es nicht, dass es nicht profitabel und sinnvoll ist. Und wenn man so aus Investorensicht denkt, ist es ja Diversifikation. Es ist ja nicht sonderlich divers, wenn ich fünf mal dasselbe Gründungsteam in meinem Portfolio habe. 

Neben der Chancengleichheit haben wir aber noch ein anderes Anliegen. Für uns ist es ja nicht so, dass wir sagen: okay, wir wachsen jetzt ins Unendliche und skalieren usw. Und damit sind wir nicht allein. Für mich ist es eine sehr begrüßenswerte Entwicklung, die natürlich auch dem Klima am Markt geschuldet ist. Aber ich finde es sehr schön oder ich fände es sehr schön, wenn wir bald auch so viele Zebras haben wie Unicorns.

Genauso viele Zebras wie Unicorns? Auch Matthias und Bert finden Zebras haben durchaus ihre Vorteile:

Matthias: Also ich finde das Zebrathema auch gut, wobei das Zebra auch schnell laufen muss oder  hoch springen wollen. Ich kenne  Alexandra und sie meint das ja im Positiven. Sie meint mit Zebras, dass man einen gesellschaftlichen Mehrwert mit dem Unternehmen schafft. Und bei Aivy geht dieser klar in Richtung Diversity oder anders gesagt, der Hintergrund der Person aus familiärer Sicht sollte eben kein Indiz für zukünftige Chancen sein. Wir wissen, dass alle erfolgreichen Unternehmen, die gesellschaftlichen Mehrwert in ihr Geschäftsmodell eingebracht haben, auch eine sehr viel größere Wirkung entfalten als nicht erfolgreiche Unternehmen mit einem großen Social Impact. Deswegen kann ich das voll unterschreiben!

Bert: Da bleibt mir nicht so viel zu ergänzen. Ich sehe das so wie Matthias. Am Ende muss die Motivation dahinter sein, etwas verändern zu wollen und erfolgreich zu sein, auch wirklich zu bewegen. Dann bin ich da so ein bisschen gespalten, ob das Zebra, Unicorn oder wie auch immer heißen mag. Wichtig ist, dass die Menschen dahinter was bewegen wollen und tatsächlich darauf achten, in welchem Kontext sie unterwegs sind. Der Punkt Nachhaltigkeit ist derzeit ein ganz großes Thema. Also sich stärker darum in der Gesellschaft zu bemühen und darauf zu achten. Ansonsten freue ich mich, wenn Menschen etwas bewegen und mit ihren Komponenten etwas gesellschaftlich erfolgreich bewegen können. Gerne auch als Zebra.

Danke Matthias und Bert für die spannenden Einblicke. Warum die beiden Mitglied beim BACB sind, erfahrt ihr hier. Natürlich hatten wir aber noch weitere Fragen an Alexandra.

Ihr habt seit der Gründung schon richtig viel erreicht. Wenn du jetzt so zurückschaust, was war so dein persönliches Highlight? 

Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie wir an Einfluss gewinnen. Sprich für jedes Unternehmen, das dazukommt und für jede Person, die wir erreichen, sagen zu können: Hey, es geht um deine Stärken und nicht um deine Noten oder so etwas. 

Mein ganz persönliches Highlight war mein Interview mit der Vogue. Generell ist es wahnsinnig schön, dass das Thema auch immer mehr im Mainstream ankommt, mehr besprochen wird und mehr Sichtbarkeit bekommt. Ich freue mich, wenn ich etwas von anderen dazu lese. Und ich freue mich, wenn ich das vertreten darf. 

Hast du abschließend noch einen allgemeinen Tipp an Gründer*innen, die noch ganz am Anfang stehen?

Hm, also das klingt wahrscheinlich pathetisch, aber was als erstes hochkommt, ist, dass man seinem Instinkt einfach vertrauen darf. Und dass man sich auch immer wieder bewusst werden muss, dass auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als würde man nichts verändern, es bewegt sich doch immer irgendwo etwas. Am Anfang war bei uns viel Unsicherheit, ob die Themen überhaupt angenommen werden, ob man dafür auch gekauft werden kann und ob Unternehmen auch darüber sprechen wollen. Und für mich war das einfach so, das muss so sein. Und es kam zum Glück auch so. (lachend) 

Vielen Dank, Alexandra, für dieses kurzweilige und inspirierende Gespräch. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg mit Aivy und, dass eure Vision und Mission den Weg in die breite Gesellschaft findet. Wir werden auf jeden Fall alles tun, um dies zu unterstützen.

Fotos: Aivy
Text: Kira Münsterberg (BACB)

Autor: bacb